Editorial Jahresbericht 2021

Ein Gespräch zwischen der Stiftungsratspräsidentin Daniela Küng und der Geschäftsführerin Mirjam Weber

Daniela Küng: Liebe Mirjam, Du hast im vergangenen August die Geschäftsführung der Stiftung übernommen. Wie war Dein Start?

Mirjam Weber: Liebe Daniela, der Einstieg war anspruchsvoll. Ich freute mich auch sehr über das herzliche Willkommen. Ich kannte die Stiftung Arbeitskette und ihre Restaurants aus meiner früheren Tätigkeit gut und ich freute mich besonders, Integration direkt im ersten Arbeitsmarkt mitgestalten zu können. Absolut grossartig und eine Seltenheit im Integrationsbereich. Bereits in der ersten Woche mussten schwierige Entscheide gefällt werden. Die Pandemie und ihre Folgen hatten die Arbeitskette stark betroffen und auch strukturelle Probleme aufgezeigt. Trotz der Betriebsschliessungen war es uns immer wichtig, unseren Lernenden und Mitarbeitenden eine verlässliche Tages- und Arbeitsstruktur auch in dieser ausserordentlichen Zeit zu bieten und ihre Gesundheit zu schützen.

Mirjam Weber: Hat Dich im ersten Halbjahr nicht manchmal der Mut verlassen während der Pandemie und der Massnahmen des Bundes sowie des bevorstehenden Geschäftsführungswechsels?

Daniela Küng: Ich habe immer daran geglaubt, dass wir es schaffen. Aufgeben oder Kündigungen auszusprechen, war für uns nie eine Option, da wir von unseren Auftraggebern einen Integrationsauftrag haben und auf deren Unterstützung zählen durften. Es war aber für alle schwierig. Viele konnten sich letzten Endes gar nicht mehr ihren eigentlichen Aufgaben widmen, sondern beschäftigten sich mit extra Lernangeboten für die Lernenden oder der finanziellen Sicherung der Stiftung. Und natürlich war auch der Geschäftsleitungswechsel in dieser Situation nicht einfach. Ich war froh, dass Alain L’Allemand seine berufliche Neuausrichtung frühzeitig angekündigte.

Daniela Küng: Corona, Fachkräftemangel, der Projektabschluss in Schlieren und der vom Stiftungsrat eingeleitete Wandel – Schonfrist gab es keine. Welche Fokusse hast Du gesetzt?

Mirjam Weber: Viel Zeit und intensive Arbeit haben wir in eine sorgfältige Evaluation und zukunftsorientierte Bedarfsanalyse investiert. Die personellen Veränderungen erforderten eine sorgfältig und in die Zukunft gerichtete Personalauswahl. Es war uns besonders wichtig, in dieser Zeit des Wandels in der Gastronomie wie auch in der Integration beste Voraussetzungen zu schaffen, um die Zukunft weiterhin erfolgreich zu gestalten. Für mich konkret heisst dies eine enge und intensivere gemeinsame Zusammenarbeit über die Fachbereiche hinweg. Ganz im Sinne des Mottos der Arbeitskette «Leidenschaft für Gastronomie und Integration».

Mirjam Weber: Welche Highlights gab es 2021 für Dich persönlich für die Arbeitskette?

Daniela Küng: Aus meiner und der Sicht des Stiftungsrats ist sicherlich die Inbetriebnahme der Produktionsküche und deren Finanzierung ein Highlight. Damit konnten wir 40 Arbeits- sowie 20 Ausbildungsplätze und unser Catering erhalten. An dieser Stelle auch vom gesamten Stiftungsrat ein herzliches Dankeschön an alle Spenderinnen und Spender und an das Kantonale Sozialamt für die tolle Unterstützung. In der Integration war das Lernenden-Pop-up ein Highlight. Es bestätigte mir einmal mehr, dass die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, ungeahnte Kräfte freisetzen kann. Auch die Neubesetzung der Geschäftsführung und das erfolgreiche Einleiten von Veränderungen sehe ich als Erfolge. Und für Dich?

Mirjam Weber: Highlights? Für mich war es ein besonderer Einstieg, und es ist immer noch eine grosse Herausforderung, den Spagat zwischen den Ansprüchen des Stiftungsrats bezüglich der neuen Geschäftsführungsrolle und der lange geprägten Führungstradition zu schaffen. Betriebliche Strukturen, die über die Jahre gewachsen sind, zu verändern, braucht Zeit und Kraft. Zuallererst muss ein Bewusstsein geschaffen werden, und es muss in der täglichen Arbeit ein Nutzen gesehen und erlebt werden. Corona bedingt wurde häufig reagiert und weniger agiert.

Daniela Küng: Ja, das war und ist für Dich bestimmt nicht einfach. Wir haben Dich natürlich auch schon im Hinblick auf die anvisierte Zukunft ausgewählt. Hast Du kleine Highlights erlebt?

Mirjam Weber: Ein persönliches Highlight war, zu spüren, dass mir vor allem die Betriebsleiter/-innen der Restaurants mit einer grossen Offenheit begegneten. Immer wieder ein Highlight ist, zu sehen, dass bei uns Integration wirklich an der Front im ersten Arbeitsmarkt stattfindet. Auch das grosse Vertrauen, welches mir bei meiner täglichen Arbeit entgegengebracht wird, ist toll.

Mirjam Weber: Wenn wir einen Blick in die Zukunft wagen – wohin geht die Reise?

Daniela Küng: Wir wollen uns im Stiftungsrat intensiv mit strategischen Fragen und Instrumenten beschäftigen, die in der letzten Zeit zu kurz kamen und Dich – nicht zuletzt damit – im Wandel unterstützen. Und ich möchte mit der Stiftung digitaler werden, Prozesse vereinfachen und automatisieren. Von uns wird erwartet, dass wir mit der Privatwirtschaft mithalten können, dass unsere Arbeit Wirkung zeigt und dies mit nur zum Teil beeinflussbaren Ressourcen. Und für Dich?

Mirjam Weber: Für mich ist es ganz wichtig, die einmalige Arbeitsmarktnähe unserer Stiftung weiter zu stärken. Arbeiten ist für mich eine der wichtigsten Grundlagen, ein gesundes und erfülltes soziales Leben zu führen. Für mich vereint die Gastronomie Genuss, Freude und soziales Engagement wunderbar. Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen möchte ich die Veränderungen in der Gastronomie und Integration antizipieren, Chancen erkennen und nutzen, die Zukunft aktiv gestalten. Es gibt sie, diese Chancen, und gemeinsam können wir das! Ich freue mich darauf.

Auf das neue Jahr und eine gute Zusammenarbeit!